Der Tränensee

Tief im Inneren des Herzens entsprang einmal eine kleine Quelle. Leise plätscherte sie vor sich hin. Ein bisschen Wasser für die Tränen der Freude, ein bisschen Wasser für die Tränen des Schmerzes. Ja, dafür war sie da, die kleine Quelle.

Doch nach einiger Zeit wurde die Quelle immer größer, zu viel Schmerz grub darin. So wurde aus der Quelle ein großer Fluss. Überall war Wasser und es lies sich nicht aufhalten.

Eines Tages kam die Hoffnungslosigkeit und baute einen Riesendamm um die Quelle. Er staute das Wasser und ließ es nicht mehr heraus. So oft Schmerz, Wut und Trauer auch daran hämmerten, die Mauer lies sich nicht einreißen. Es gab einfach keine Tränen mehr.

So vergingen viele Jahre und die Mauern um das Herz wurden immer dicker. Es lies einfach keine Gefühle mehr zu. Wenn kein Wasser für Tränen da ist, warum dann Schmerz oder Freude zulassen. Irgendwie sinnlos.

Ja und dann, ganz plötzlich kamen die Liebe und die Hoffnung. Sie pochten ganz fest an die Mauern. Immer und immer wieder. Und auf einmal bröselte es, so ganz langsam aus einer Stelle heraus. Da sah das Wasser endlich einen Weg. Es beeilte sich heraus zukommen und lief so schnell es konnte. Unaufhörlich, immer mit dem Gedanken, bald ist die Lücke wieder zu.

So ging das eine ganze Weile und irgendwann stellte das Wasser fest, dass die Liebe und die Hoffnung da blieben. Sie hielten die Stelle offen und füllten die übrigen Mauersteine in die zu groß gewordene Quelle. Als das Wasser das sah, wurde es ganz ruhig. Es brauchte nun keine Angst mehr zu haben. So wurde ein ganz stiller See daraus und nur noch ab und zu geht das Wasser auf die Reise, aber immer nur soviel, wie der See gerade übrig hat. Ja und ganz oft ist es das Wasser der Freude, dass sich da auf den Weg macht.

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